Sopo Kashakashvili
Eröffnung: Freitag, 25. Oktober 2024
Dauer der Ausstellung: 25. Oktober – 23. November 2024
Artist Talk: 9. November 2024, 14 Uhr (auf Englisch)
Sopo Kashakashvili / sopokash (*1994) ist eine georgische interdisziplinäre Künstlerin, Kulturvermittlerin und Pädagogin. In ihrer Arbeit erforscht sie: individuelle/kollektive Geschichten, Migration/Zugehörigkeit und die Wechselbeziehung zwischen Körper und Architektur. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der sozialen Koexistenz, der Reaktion auf unmittelbare Umgebungen und der Dekonstruktion von Sprache.
Sopos Arbeit basiert auf Rauminstallationen, die sie als „soziale Konstellationen“ bezeichnet. In diesen überlagern sich Videos, Sound, Performance, Texte und Zeichnungen zu immersiven Erfahrungen. Ihre Inspirationen stammen häufig aus dem Theater, aus Tanzchoreografien und sehr dichten textbasierten Recherchen. Die Einbeziehung von Materialien aus dem städtischen Leben, Textilien und verschiedenen Alltagsgegenständen ist in Sopos Arbeiten häufig zu sehen.
Eine weitere wichtige Ebene in ihrer Praxis sind kollaborative und kollektive Arbeiten, öffentliche Interventionen und mobile Strukturen. Sie ist ein Gründungsmitglied des Künstler*innen- und Architekten*innenkollektivs commune6x3.
Ihre jüngsten Arbeiten waren Teil des Künstler*innenhauses Mousonturm in Zusammenarbeit mit textxtnd (2023). Vor kurzem hat sie ihren Aufenthalt/Austausch mit KNUST/BlaxTarlines Ghana abgeschlossen, unterstützt von der KfW stiftung. Beim Theater Der Welt zeigte sie ihre Arbeit ,Opened Flags' (2023) mit ihrem Kollaborateur Larry Bonchaka. 2023 gewann sie den 2. Platz beim PlayGround Kunstpreis, hat in der Galerie Von&Von, (2023), Opelvillen (2022), Kunstverein Wiesbaden (2022), Kunstverein Mafiana Bold, (2022) Basis Projektraum (2022), Blech Kunst e.v., Halle, Saale (2022), Kulturzentrum Tempel, Karlsruhe (2021) gezeigt. Außerdem hat sie ihre „rhythmischen Texte“ auf verschiedenen Festivals und an verschiedenen Orten aufgeführt: Bel R Festival (2023), Jazz Montez (2023), und hat Texte beim li:tz festival für literatur (2023) und Salon der Perspektiven (2020) veröffentlicht.
Saaltext:
Sopo Kashakashvili
Otherhood Act IV: WILLCOME
Ausstellungslaufzeit: 25. Oktober bis 23. November 2024
Künstlerinnengespräch: 9. November 2024, 14 Uhr
Sopo Kashakashvili (*1994) präsentiert im Neuen Kunstverein Gießen den vierten Akt von Otherhood. Die Serie basiert auf Interviews, die die Künstlerin mit in Deutschland lebenden, migrantischen Müttern der ersten Generation geführt hat. Diese persönlichen Erzählungen und Erfahrungen hat Sopo Kashakashvili mithilfe einer Künstlichen Intelligenz in eine rhythmisierte Stimme übersetzt und fließen so sowohl in Text- als auch Audioform in ihre künstlerischen Installationen ein.
Für ihre Arbeit Otherhood Act IV: WILLCOME greift die Künstlerin die Geschichte des Neuen Kunstverein Gießen auf und schafft einen Ort des Ankommens und Verweilens, an dem sie Passant*innen mit einem scheinbar regulären Kioskangebot willkommen heißt. Als “Max hat’s” bekannt, war das Gebäude des Kunstvereins eine beliebte Trinkhalle im Gießener Stadtzentrum. Wo früher Getränke, Zeitungen, Süßigkeiten und andere Waren gelagert und durch das Schiebefenster verkauft wurden, befindet sich heute der Ausstellungsraum des Kunstvereins.
Neben den wiederkehrenden Interviews tauchen in Sopo Kashakashvilis Arbeiten bestimmte Motive wie die Farbe Rot oder Samt immer wieder auf – ebenso spielen Zeitungen eine zentrale Rolle. Diese finden sich im Raum des Kunstvereins sowohl an den Wänden, der Decke und den Fenstern, als auch in den typischen, dafür vorgesehenen Zeitungsständern wieder. Letztere erwecken zunächst den Eindruck, über das aktuelle Tagesgeschehen zu berichten, jedoch sind darauf stattdessen die Interviews der Künstlerin abgedruckt. Diese Schriftzeilen finden sich auf dem Bildschirm wieder, der an einem der Fenster lehnt. Von außen können die Besucher*innen die dazugehörige Audiospur mit den Interviews wahrnehmen. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die Jutetaschen, Getränke und anderen Produkte des alltäglichen Lebens allesamt Zitate aus den Interviews tragen.
Die verwendeten Materialien und alltäglichen Objekte übersetzen die Intimität der Interviews in eine warme Raumatmosphäre. Der Kiosk, ein Ort des Zusammenkommens und des Austauschs über alltägliche Situationen und tagespolitische Themen, wird durch die persönlichen Erzählungen zu mehr als nur einem Ort des Konsums – so werden die Besucher*innen angeregt, sich in einer vertrauten Kiosk-Umgebung mit den individuellen Geschichten und Erfahrungen auseinanderzusetzen. Diese intimen Momente, die im Alltag oft an den Rand unserer Wahrnehmung gedrängt werden, rücken nun ins Zentrum. Die Interviews und Zitate eröffnen dabei einen feministischen, antirassistischen Diskurs, indem sie die Bedeutung von „Heimat” und „Zugehörigkeit” in einem migrantischen Kontext kritisch hinterfragen: In welchen kolonialen und rassistischen (Begriffs-)Geschichten sind diese Begriffe verortet? Welche Geschichten, Gefühle und Ideale verbinden unterschiedlich situierte Personen mit diesen?
Text: Lena Fries & Dalwin Kryeziu